Beschlüsse in Personen- und Kapitalgesellschaften – was bedeutet eine Stimmenthaltung?

Stimmenthaltung, Satzung, Einstimmigkeit, Enthaltung

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Die Frage, wie eine Stimmenthaltung bei Beschlüssen in Personen- und Kapitalgesellschaften zu bewerten ist, stellt Gesellschafter:innen immer wieder vor Herausforderungen. Dies liegt daran, dass das Gesetz keine Regelung dafür vorsieht und auch Gesellschafterverträge nur selten diesen Fall regeln, obwohl es für Gesellschaften oft entscheidend ist, ob eine Stimmenthaltung bei einem Beschluss als Gegenstimme zählt oder gar nicht mitzählt wird.

Keine Regelung in Satzung

Bei Personengesellschaften ohne Regelungen zur Abstimmung bzw. Gesellschafterversammlung wird bei einer Entscheidung auf alle Stimmberechtigte abgestellt. Dieser Grundsatz ist den § 709 Abs. 1 BGB (u.a. für GbR), § 119 Abs.1 HGB (für OHG) und §§ 161 Abs.1, 119 HGB (für KG) zu entnehmen. Folglich ist eine Stimmenthaltung in diesem Fall als Gegenstimme zu werten.

Beispiel: Wenn bei einem Beschluss einer Personengesellschaft mit vier Gesellschaftern:innen, drei Gesellschaftern:innen für den Beschluss stimmen und ein:e Gesellschafter:in sich enthält, kommt der Beschluss nicht zustande, da die Stimmenthaltung als Gegenstimme zählt und damit nicht alle Stimmberechtigten für den Beschluss gestimmt haben.

Im Gegensatz dazu, wird bei Kapitalgesellschaften ohne Regelungen zur Abstimmung bzw. Gesellschafterversammlung nach § 47 Abs. 1 GmbHG mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmenentschieden. Das bedeutet, dass eine Stimmenthaltung in diesem Fall nicht mitgezählt wird.

Beispiel: Wenn bei einem Beschluss einer Kapitalgesellschaft mit vier Gesellschaftern:innen, drei Gesellschaftern:innen für den Beschluss stimmen und ein:e Gesellschafter:in sich enthält, kommt der Beschluss zustande, da die Stimmenthaltung nicht mitzählt und damit die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für den Beschluss gestimmt haben.

Mit einer Regelung in der Satzung

Enthält der Gesellschaftervertrag vom Gesetz abweichende Regelungen zur Abstimmung bzw. Gesellschafterversammlung, ist die Beantwortung der Frage, was eine Stimmenthaltung für Konsequenzen hat, schwieriger und bedarf meist der Auslegung. Dabei ist die BGH-Rechtsprechung zu diesem Thema zu berücksichtigen.

Vereinsrecht

Für das Vereinsrecht hat der BGH festgestellt, dass es bei der „Mehrheit der erschienenen Mitglieder“ nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Zahl der abgegebenen Stimmen ankomme (BGH v. 25.1.1982 – II ZR 164/81). Folglich seien Stimmenthaltungen nicht als Gegenstimmen zu bewerten, da niemand, der sich der Stimme enthalte, nach der Verkehrsanschauung auf den Gedanken kommen würde, sein Verhalten würde sich auf die Beschlussauffassung anders auswirken, als wenn er der Versammlung ferngeblieben wäre oder sich vor der Abstimmung entfernt hätte. Manchmal sei es aber erwünscht eine Stimmenthaltung als Gegenstimme zu werten. In diesem Fall müsse dies aus der Satzung so eindeutig ablesbar sein, dass das einzelne Vereinsmitglied über die Bewertung seines Abstimmungsverhaltens bei vernünftiger Würdigung des Satzungswortlauts nicht im Zweifel sein könne (BGH v. 12.1.1987 – II ZR 152/86). Dies könne beispielsweise bei der Einführung von einem vom Gesetz abweichenden Mehrheitsquorum der Fall sei.

Personengesellschaften

Diese Grundsätze hat der BGH auf Personengesellschaften übertragen (BGH v. 19.7.2011 – II ZR 209/09). In der Entscheidung ging es um eine Publikumsgesellschaft, in der für die Beschlussfassung „die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ und für besondere Beschlussgegenstände hingegen die „Mehrheit der anwesenden Stimmen“ entscheidend war. Die letzte Regelung hat der BGH so ausgelegt, dass im Gesellschaftsvertrag von dem Grundsatz des § 47 Abs. 1 GmbHG abgewichen worden sei, sodass die Bezugsgröße für die Mehrheitsermittlung die anwesenden Stimmberechtigten sei. Folglich seien in diesem Fall Stimmenthaltungen als Gegenstimmen zu werten.  

Um zu wissen was eine Stimmenthaltung bedeutet, ist somit erst zu prüfen welcher gesetzlicher Mehrheitsquorum für die Gesellschaft besteht. Anschließend muss der Gesellschaftsvertrag analysiert werden, wobei festgestellt werden muss, ob eine Abweichung der gesetzlichen Regelung vorliegt. Ist dies der Fall muss der Gesellschaftsvertrag nach den Grundsätzen des BGH ausgelegt werden, wobei davon auszugehen ist, dass eine Person mit ihrer Enthaltung ihre Unentschiedenheit ausdrücken und keine Gegenstimme abgeben möchte. Eine Enthaltung kann nur als Gegenstimme bewertet werden, wenn dies aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig lesbar ist und die Person über die Bewertung ihrer Enthaltung keine Zweifel haben darf.

Setzt ein Gesellschaftsvertrag beispielsweise fest, dass Beschlüsse „einstimmig“ gefasst werden, wird bei Personengesellschaften davon ausgegangen, dass alle stimmberechtigten Gesellschafter abstimmen müssen, da dies der gesetzliche Regelfall ist. Folglich wird eine Enthaltung als Gegenstimme zu bewerten sein. Bei Kapitalgesellschaften wird dagegen in der Regel auf die Einstimmigkeit der abgegebenen Stimmen abgestellt. Eine Enthaltung wird somit nicht mitgezählt.

Wird hingegen in einem Gesellschaftsvertrag für Beschlüsse „die Mehrheit der abgegebenen Stimmen“ gefordert, ist dies bei Personengesellschaften eine eindeutige Abweichung vom gesetzlichen Regelfall, sodass hier auf die abgegebenen Stimmen abzustellen ist und eine Enthaltung nicht mitgezählt wird. Das Gleiche gilt hier auch für die Kapitalgesellschaften.

Aufgrund dessen ist es von großer Bedeutung, dass Personen- und Kapitalgesellschaften in ihrer Satzung oder in ihrem Gesellschaftsvertrag regeln welchen Wert einer Stimmenthaltung zukommt und so eindeutig wie möglich festsetzen welcher Mehrheitsquorum für Beschlüsse gefordert wird.

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